(Main Echo 06.08.2018)
Für viele der Höhepunkt des Jahres
Festival: Tausende Besucher feiern im Nilkheimer Park drei Tage lang ein heißes, friedliches und buntes Kommz
Von unserer Redakteurin MONI MÜNCH
ASCHAFFENBURG. Für die meisten Menschen geht das Jahr vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Es gibt aber noch eine zweite Art, zwölf Monate einzuteilen: in die
Zeit vor dem Kommz und in die Zeit danach. Für manche Besucher im Nilkheimer Park ist das Festival, das am vergangenen Wochenende zum 44. Mal gefeiert wurde, Höhepunkt des Jahres.
Besser als Weihnachten sei das Kommz, meint ein junger Mann auf dem Zeltplatz. Warum? »Weil man hier die Familie hat, die man sich wünschen würde – und an Weihnachten nur die Verwandtschaft, die man sich nicht aussuchen kann.«
Nun, es war auf jeden Fall heißer als an Weihnachten am vergangenen Wochenende im alten Römerbad bei Nilkheim. Unter dem Schatten der alten Bäume, gewappnet mit Fächern, besprüht von ungezählten Wasserspritzpistolen, die Füße im aufblasbaren Planschbecken abgestellt, gut versorgt durch zusätzlich aufgestellte Trinkwasserhähne – geschwitzt haben die mehreren Tausend Besucher zwischen Darmstädter Straße und Main trotzdem bis in die Nacht.
Quer durch die Stilrichtungen
Zusätzlich eingeheizt haben rund 50 Bands und Gruppen: Quer durch die Stilrichtungen, tanzbar oder gediegen, krachend laut oder akustisch, elektronisch im alten Römerbad oder handgemacht in der Sektbar, für Kinder am Sonntagnachmittag, für Frühaufsteher am Samstagmorgen – die Floskel, das wohl für jeden etwas dabei sein dürfte, sie ist erklärtes Ziel der Programmmacher beim Kommz. Übrigens ein Erfolgsrezept, denn alle Musiker fanden am Wochenende ihr begeistertes Publikum.
Der Erlös aus dem Festival fließt auch in diesem Jahr an soziale Projekte. Wie genau das Geld aufgeteilt wird, beschließt die Kommz-Gruppe nach dem Fest basisdemokratisch – so, wie alle Entscheidungen rund ums Kommz getroffen werden. Zu den Organisationen, die in der Vergangenheit eine Spende aus dem Kommz-Erlös bekommen haben, gehört der Verein Seawatch, der im Mittelmeer Flüchtlinge rettet. Auch auf dem Festival informiert der Verein über seine Arbeit: 150000 Euro an Spendengeldern brauche Seawatch pro Monat, um die Arbeit leisten zu können, erklärt Antonia Dagorova am Stand. Wie schon beim ersten Kommz gibt es immer noch eine Reihe an Infoständen, die für Inhalte stehen, die das Kommz-Team unterstützt.
400 bis 500 ehrenamtliche Helfer sind hinter den Kommz-Ku-
lissen beschäftigt, schätzt Daniel Damm, der gemeinsam mit Lea Heeg Vorstand der Kommz-Gruppe ist. Nicht nur die drei Tage Festbetrieb müssen die Helfer gut über die Bühne bringen, Dienst am Essensstand leisten, an den Eingängen kontrollieren, den Mist aus den Bio-Toiletten entsorgen und so viel mehr. Auch eine ganze Woche Auf- und eine weitere Woche Abbau stecken an Arbeit in dem Fest. Am Schluss muss der Nilkheimer Park blitzblank aus sehen: Kein Zigarettenstummel darf liegenbleiben, so die Auflage der Stadt.
Die Besucher wissen diesen Einsatz zu schätzen, bemerken die vielen kleinen Details im Park, die handgemachte Deko und bunten Schilder. »Die Helfer haben sich auf jeden Fall sehr viel Mühe gegeben«, findet die 18-jährige Pia Sega aus Dörnsteinbach. »Man merkt einfach, dass das hier nichts Kommerzielles ist«, findet eine andere Besucherin, »die Helfer haben Bock auf ihre Gäste, das spürt man.«
Feiern und alles anders machen
Vieles hier ist anders als auf kommerziellen Festen: Es gibt ausschließlich Biofleisch und kein Plastik an der Essenstheke, Erwachsene sind beim Kinderschminken erlaubt, jeder darf und will kreativ sein, jeder ist willkommen, »alle feiern zusammen, friedlich«, sagt Daniel Damm. Es ist ein alternativer Lebensentwurf, den drei Tage lange alle Gäste kennenlernen – auch wenn sie den Rest des Jahres vielleicht ganz anders ticken.
Hunderte Fotos und ein Video vom Kommz 2018:
www.main-echo.de/mediathek
Stimmen zum Festival: »Mir gefällt es jedes Jahr«
Alexa Heidenreich, 27 Jahre, aus Aschaffenburg: »Ich bin schon seit 15 Jahren ungefähr auf dem Kommz, das erste Mal war mit 13 oder 14. Und ich genieße es sehr! Am Kommz reizen mich am meisten meine Freunde natürlich, mit denen ich hier abhänge. Und das Bier! Auf dem Kommz gibt’s überragendes Bier, vor allem Sonntagsabends, da gibt’s nämlich Freibier – wer das verpasst, ist selber schuld!«
Pia Sega, 18 Jahre, aus Mömbris-Dörnsteinbach: »Ich war 2014 das erste Mal auf dem Kommz und mir gefällt es jedes Jahr. Dieses Jahr ist es aber brutal sonnig, das macht mir schon sehr zu schaffen. Aber da versucht man halt das beste draus zu machen – denn es ist ja nur einmal im Jahr Kommz! Das beste hier sind der Kommzler-Burger und die Attraktionen – Traumfänger basteln, zum Beispiel.« |
(Main Echo 07.08.2018)
Wenn sich »Herz« auf »Scherz« reimt
Kommz: Der letzte Abend auf dem Nilkheimer Parkfest mit Schnipo Schranke, Griot Blues und anderen
Von unserem Redakteur ALEXANDER BRUCHLOS
ASCHAFFENBURG. Mit Textzeilen wie dieser wird die Hamburger Gruppe Schnipo Schranke sicher keinen Literaturnobelpreis wie Bob Dylan erhalten: »Warum schmeckt’s, wenn ich dich küsse, untenrum nach Pisse?« singt Daniela Reis, die mit ihrer Partnerin Fritzi Ernst krasse Lyrics in einen sommerleichten Indie-Pop-Sound verpackt.
Mit ihrem Ansatz zwischen Provokation und Verschwisterungsgestus haben Schnipo Schranke sichtlich einen Nerv getroffen, wie der bestens besuchte Auftritt am letzten Kommz-Nachmittag auf der Hauptbühne zeigt – pikanterweise direkt nach dem Konzert des Kinderstars Geraldino. Vor allem den weiblichen Besuchern des Parkfestes gefällt der unverkrampfte Auftritt des Trios um die beiden Sängerinnen und Keyboarderinnen. Übermütig tanzen und singen sie zu Ohrwürmern wie »Cluburlaub« und zu Liedern, in denen sich »Herz« auf »Scherz« reimt. Nur mit Ansagen geizen die beiden Hamburgerinnen. Das Publikum erklatscht sich dennoch zwei Zugaben.
Als Schnipo Schranke ihre Instrumente wegpacken, hat sich die Zeltwiese bereits stark gelichtet. Nur noch wenige, meist windschiefe Behausungen bevölkern das Campinggelände. Die meisten haben ihre transportabelen Unterkünfte schon im abreisebereiten Auto verstaut.
Letzte Energiereserven geweckt
Viele Besucher nutzen die letzte Möglichkeit zur Party. Die Temperaturen sind mittlerweile angenehm und ein leichter Wind streicht durch die Kronen der Parkbäume: Die Musik der DJs im Römerbad und in der Sektbar weckt die letzten Energie-Reserven.
Wer sich lieber zu Live-Klängen als zu Sounds aus der Konserve bewegt, der ist am frühen Abend vor der Hauptbühne beim Kolektif Istanbul richtig. Dabei hat die multinationale Band mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen: Nicht nur die Sängerin und Trompetenspielerin fehlt bei dem Auftritt. Weil der Schlagzeuger des Kollektivs kein Visum erhalten hatte, ist kurzfristig der Darmstädter Drummer Thomas Kurek eingesprungen.
Obwohl Kurek musikalisch in einem ganz anderen Genre zuhause ist, hält das Provisorium: Der mit Klarinette, Saxofon, Sousafon und Keyboards in Szene gesetzte, improvisationsfreudige Orientbeat des Kollektivs verknüpft traditionelle Melodien Anatoliens und des Balkans mit modernen Elementen und begeistert die Zuhörer.
Einen musikalischen Brückenschlag bietet auch das Projekt Griot Blues, der letzte Programmpunkt auf der Hauptbühne. Der amerikanische Keyboarder und Sänger Mighty Mo Rodgers und der Afrikaner Baba Sissoko servieren eine suggestive Melange aus Blues und westafrikanischer Griot-Musik. Das Publikum verwandelt sich in eine wogende Menge. Die entspannten Rhythmen des Quintetts liefern die ideale Begleitmusik dazu.
Ein ruhiges Kommz, so lautet auch die Bilanz der Polizei und der Sanitäter des Roten Kreuzes. Der einzige Ausschlag am Wochenende waren die Wespenstiche, von denen in diesem Jahr überdurchschnittlich viele behandelt werden mussten, ist am Rot-Kreuz-Zelt zu erfahren. Die Hitze haben die Besucher indes gut verkraftet.
Als gegen 23 Uhr auf der Bierstand-Bühne die Steinbacher Band The Sirkus ihre mitreißende Psycho-Blues-Spielart serviert, neigt sich das Festival dem Ende zu. Am leergefutterten Essensstand werden die letzten Brötchen verschenkt. Wer mag, kann sie sich mit Gurken belegen. Da zieht es mancher vor, sich noch einmal den Bier-Krug füllen zu lassen. |